Die Seitenbezahnung – also Prämolaren und Molaren – bildet das funktionelle Fundament unseres Kauapparates. Sie sorgt für effizientes Kauen, stabilisiert die Bisshöhe, schützt Frontzähne vor Überlastung und verteilt Kräfte so, dass Muskulatur und Kiefergelenk effizient arbeiten können. Veränderungen an der Seitenbezahnung entstehen durch Zahnverlust, Abnutzung (Abrasion, Attrition), insuffiziente Restaurationen oder fehlende Kontaktpunkte. Dies kann weitreichende funktionelle, muskuläre und ästhetische Folgen haben.
Warum die Seitenzähne so wichtig sind
Seitenzähne:
tragen den Großteil der Kaukraft
halten die vertikale Dimension (Bisshöhe) stabil
verhindern Überlastung der Frontzähne
schützen die Kiefergelenke
sichern eine harmonische Okklusions- und Führungsfunktion
Geht ein Seitenzahn verloren oder verliert er an Höhe, verändert sich der gesamte „St ützpfeilermechanismus“ des Gebisses.
Typische Veränderungen bei Verlust oder Verschleiß der Seitenbezahnung
1. Abgesunkene Bisshöhe
Wenn Kauflächen durch Abrasion oder Attrition niedriger werden, verliert das System vertikale Stütze. Dies kann zu:
muskulären Überlastungen
veränderter Gelenkposition
Kiefergelenksknacken oder -schmerzen
frühzeitigem Altern der unteren Gesichtspartie
führen.
2. Überlastung der Frontzähne
Fehlt die Seitenführung, versuchen Frontzähne kompensatorisch Kaubelastung zu übernehmen.Dies erhöht das Risiko für:
Frakturen
Rezessionen
Lockerungen
Schmelz- oder Dentinaufbrüche
3. Störung der Okklusion und Kaueffizienz
Die Kaubewegung verliert ihre Stabilität.Patienten berichten häufig über:
ineffizientes Kauen
wechselnde Kontaktpunkte
Empfindlichkeiten
Schiefbisse oder Wanderbewegungen
4. Auswirkungen auf das Kiefergelenk (CMD)
Ohne stabile Seitenstützzonen müssen Kiefergelenk und Muskulatur kompensieren, was zu:
Tinnitus
Kopf- und Nackenschmerzen
Knacken oder Reiben der Kiefergelenke
Morgenverspannungen
führen kann.
Wissenschaftlich belegte Fakten zur Seitenbezahnung
Die Bedeutung der Seitenbezahnung ist wissenschaftlich klar belegt:
Eine 6-Jahresstudie von Witter et al. zeigt, dass fehlende Seitenzähne zu deutlichen funktionellen Einbußen und verstärkter Belastung der Frontzähne führen.¹
Kordass et al. belegten, dass bereits moderate Veränderungen der Bisshöhe die Aktivität der Kaumuskulatur verändern und muskuläre Dysbalancen fördern.²
Attrition im Seitenzahnbereich ist stark mit craniomandibulären Dysfunktionen (CMD) verknüpft. Patienten mit posteriorer Abnutzung haben laut Lobbezoo & Naeije signifikant häufiger Muskelbeschwerden und funktionelle Störungen.³
Studien zur Okklusionslastverteilung zeigen außerdem, dass stabile Seitenkontakte entscheidend dafür sind, non-axiale Kräfte an Frontzähnen zu verhindern – ein Schlüsselfaktor für die Langlebigkeit natürlicher Zähne und Restaurationen.⁴
Auch in der Implantologie spielt die Seitenbezahnung eine entscheidende Rolle: Papaspyridakos et al. zeigten, dass fehlende posterior unterstützte Okklusion zu höheren technischen Komplikationsraten (z. B. Schraubenlockerungen, Keramikfrakturen) führt.⁵
Häufige Fragen (Q&A) zur Seitenbezahnung
Warum sind Seitenzähne wichtiger als viele denken?
Sie tragen bis zu 90 % der Kaukräfte, stabilisieren die Bisshöhe und schützen Frontzähne und Kiefergelenke vor Überlastung.
Was passiert, wenn Seitenzähne stark abgenutzt sind?
Die Bisshöhe sinkt, Kontaktmuster verändern sich, die Kaumuskulatur überarbeitet sich und die Front wird überlastet.
Kann ein einzelner verlorener Seitenzahn Probleme verursachen?
Ja. Schon ein fehlender Molarenkontakt kann zu Verschiebungen, Wanderungen, Überbelastungen und funktionellen Beschwerden führen.
Führt Seitenzahnverschleiß zu Kiefergelenksproblemen?
Häufig ja. Studien zeigen eine klare Verbindung zwischen posteriorer Abrasion/Attrition und CMD-Beschwerden.
Kann die Bisshöhe wiederhergestellt werden?
Ja. Durch funktionell geplante Rekonstruktionen kann die vertikale Dimension stabil und ästhetisch ansprechend aufgebaut werden.
Quellen:
Witter DJ, de Haan AF, Käyser AF. J Oral Rehabil. 1994;21:113–126. PMID: 8156645.
Kordass B, et al. J Oral Rehabil. 2000;27:815–822. PMID: 11012854.
Lobbezoo F, Naeije M. J Oral Rehabil. 2001;28:708–715. PMID: 11422669.
Ferrario VF, Sforza C, et al. J Prosthet Dent. 2004;92:548–553. PMID: 15583556.
Papaspyridakos P, et al. Clin Oral Implants Res. 2012;23:651–659. PMID: 21651517.










